Die Vision einer sich verändernden Gesellschaftsstruktur

Sozialromantische Träumerei oder Zukunftsmodell? Das Bedingungslose Grundeinkommen.

Oft abgetan als „Lohn fürs Nichtstun“ oder gar „Lohn für Faulenzerei“ gewinnt die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens immer mehr Anhänger. Dabei sind die Vordenker keineswegs nur sozialromantische Spinner oder gar ausschließlich unter den ökonomischen Versagern zu suchen, sondern rekrutieren sich aus ernstzunehmenden Menschen unterschiedlichster Couleur. Aber was genau steckt hinter der zunächst irrig klingenden Strategie „money for nothing“.


Beim Bedingungslosen Grundeinkommen soll jeder Mensch innerhalb einer Gesellschaft monatlich einen Betrag X als Mindesteinkommen bekommen, mit dem er leben kann. Dabei ist die automatische Zahlung an keinerlei Bedingungen geknüpft, beispielsweise an Arbeitsleistung, Arbeitsbereitschaft oder eine sonstige erzwungene Gegenleistung. In Zeiten von Hartz4, wo steigender Druck zur Maxime der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit erhoben wird, in Zeiten von Multi-Jobs, in denen ein Vollzeitjob nicht mehr reicht, um ein Auskommen zu gewährleisten, erscheint die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens also eher wie das Träumen vom Schlaraffenland, als ein ernstzunehmender Gegenentwurf zur bestehenden Gesellschaftsordnung.



Selbst Wirtschaftswissenschaftler votieren für ein Grundeinkommen

Die Existenzsicherung jedes Einzelnen über ein entsprechendes Mindesteinkommen hat sicher viele Vorteile, angefangen bei der größeren Verteilungsgerechtigkeit. Die Aufhebung von Innovationsstaus, der Anreiz für höhere Wertschöpfung und Rationalisierung öffnet aber auch für Unternehmer neue Perspektiven. Während heute noch Fließbandjobs beibehalten werden, um soziale Schieflagen zu vermeiden und Menschen in Lohn und Brot zu halten, könnten diese stumpfsinnigen, nur zeitraubenden Arbeiten einfach von Robotern und Automaten übernommen werden. Das Freisetzen von Arbeitnehmern wäre also nicht mehr bloß pure Euphemie, sondern wäre ein tatsächliches Freisetzen, ein Freisetzen von Kreativität, Zeit für Bildung, soziales Miteinander und Selbstbestimmung. Bei so vielen Vorteilen fragt man sich natürlich: Warum haben wir das Bedingungslose Grundeinkommen nicht schon längst.



Können wir uns die soziale Hängematte leisten?

Um gleich gegenzusteuern: Das Grundeinkommen hat nichts mit Hängematte zu tun. Ganz im Gegenteil. Wer realisiert, dass bereits heute ein großes Zeitbudget für unentgeltliche Arbeit verwendet wird, sieht die Primärmotivation, einer sinnhaften Arbeit nachzugehen. Durch den Wegfall der zwingenden Notwendigkeit einer Erwerbstätigkeit können wir exakt dafür mehr Zeit „verschwenden“. Aber können wir es uns auch leisten. Renommierte Wirtschaftswissenschaftler behaupten „Ja“. Ihren Berechnungen zufolge ist durch die enorme Produktivitätssteigerung in den letzten Jahrzehnten eine gesamtgesellschaftliche Situation entstanden, die Vollbeschäftigung einerseits unmöglich macht, andererseits gleichzeitig aber auch unnötig macht, denn der erwirtschaftete Reichtum könnte für alle reichen. Dabei sind unterschiedliche Finanzierungsmodelle im Gespräch, beispielsweise über eine gestaffelte Komsumsteuer.



Der eigentliche Knackpunkt – wir müssten umdenken, vom Haben zum Sein.

Natürlich ist ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht gleichbedeutend mit dem Verbot jeglicher zusätzlicher, erwerbsorientierter Arbeit. Nicht jede Arbeit, besonders nicht die im Bereich des Dienstleistungssektors, können automatisiert übernommen werden. Also bleibt sicher auch bei einem Grundeinkommen noch genügend Spielraum und Motivation, sich etwas dazuzuverdienen. Das „heuschreckenartige“ Abernten, Raffen und nahezu unendliche Anhäufen von Macht durch Geld wäre allerdings nicht in gleichem Maße mehr möglich, wie bisher, denn der skrupellosen Ausbeutung von Arbeitskraft wäre ein Riegel vorgeschoben. Das dürfte aber wiederum das Grundproblem sein, das der Einführung im Wege steht. Während sich die immer mehr existenzangstbehafteten „Zwangsarbeiter“ im Hamsterrad drehen, und keine Zeit für gesellschaftspolitische Visionen haben, sind die anderen in der glücklichen Lage, bereits tatsächlich Schlaraffenland-ähnliche Vorzüge auskosten zu können. Wer also sollte etwas tun. Immerhin – eine Vision ist da – eine Vision, die auch zu einer nachhaltig besseren Gesellschafsform und zu einem besseren Leben für alle führen könnte. Ob sie jemals ernsthaft und vor allem rechtzeitig in Betracht gezogen wird, bleibt beim Hang zur menschlichen Unvernunft jedoch ziemlich fraglich. Aber um das Thema können wir uns mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen kümmern.


 

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